Moderne Demokratien ruhen seit Anbeginn auf Begrenzungen. Dabei kann als wirkmächtigste Begrenzung die nationalstaatliche Einhegung gelten, die sich auch in zentralen Ordnungsleistungen von Demokratien niederschlägt: Volkssouveränität, Verfassung oder Staatsbürgerschaft sind nur einige dieser zentralen Begriffe, die ohne Raumbezug kaum
sinnvoll gedacht werden können. Innerhalb dieser begrenzten und umgrenzten Demokratien gab es zugewiesene Orte, Positionen und Subjekte; und auch demokratietheoretische Entwürfe und Debatten fanden innerhalb dieser Begrenzung statt. Die Grenzen selbst befanden sich außerhalb dieses Fokus. Sie bildeten lediglich die unhinterfragte Voraussetzung der Auseinandersetzung um Fragen der Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit. Seit einigen Jahren wird jedoch dieser ‚methodologische Nationalismus‘ (Glick-Schiller/
Wimmer) immer stärker in Frage gestellt und so rückt die Institution der Grenze in das Zentrum demokratietheoretischer Debatten. Aber in welcher Verbindung stehen moderne
Demokratien zu ‚ihren‘ Grenzen? Und wie können Grenzen greifbar gemacht werden in einer Zeit, in der sie von verschiedenen Seiten – wie z.B. der Globalisierung und der Internationalisierung des Rechts – herausgefordert und in ihrer begrenzenden Funktion ausgehöhlt werden? Welche Funktion hat vor diesem Hintergrund die zunehmende Sichtbarkeit von Grenzen, wie wir sie nicht nur in Europa beobachten können? In dem Seminar werden wir Texte lesen, die sich mit der Gestalt heutiger Grenzen auseinandersetzen und die direkt oder indirekt die Frage danach stellen, ob Demokratien Grenzen brauchen.

Semester: WiSe 2018/19