Den Normen des produktiven Leistungskörpers, die Alltag und Perspektiven bis heute strukturieren, liegen thermodynamische Körperkonzeptionen zugrunde, die seit Mitte des 19. Jh.s in Europa entwickelt wurden. Körper wurden als Wärmekraftmaschinen begriffen: Als Medien der Krafterhaltung und -umwandlung sollten sie möglichst effizient und produktivitätssteigernd ernährt, bewegt und eingesetzt werden. In diesem Seminar schauen wir uns an, wie diese neue Norm nach Geschlechtern, „Rassen“ und Klassen, Konstitutionen und Klimazonen ausdifferenziert wurde. Dazu untersuchen wir Schriften und Reden, Forschungen und Gutachten um die Frage, inwiefern sich weiße Europäer:innen in den Tropen akklimatisieren könnten. Diese sogenannte„Akklimatisationsfrage“ wurde im Zuge des Kolonialismus Ende des 19. Jahrhunderts intensiv diskutiert. Sie erlaubt zwar kaum Rückschlüsse auf die kolonialen Kontexte. An ihr lässt sich aber nachvollziehen, wie sich in den europäischen Auffassungen von Leistungskörpern arbeitsphysiologische mit Klima- und „Rasse“-Theorien, heteronormativen Geschlechtermodellen sowie sozialdarwinistischen und eugenischen Auffassungen verschränkten. Damit bekommen wir einen Einblick in die historische Entwicklung europäischer Rassismen in ihrer Verschränkung mit anderen Ungleichheitskategorien.


Semester: ST 2021