In der „Negativen Dialektik“ bemerkt Theodor W. Adorno an einer Stelle, dass alle Philosophiegeschichte dadurch gekennzeichnet sei, dass die Philosophieschulen sich „einander fraßen“, dass also oft eher Fragen des Prestiges, der Macht und des Einflusses im Vordergrund standen und weniger die „Anerkennung von Wahrheiten“, die vielleicht auch in einer anderen Position liegen könnten. 
Ob diese These für die Geschichte der „Politischen Philosophie“ zutrifft, wollen wir in diesem Seminar untersuchen. Der Kanon der „Klassiker der politischen Theorie“ besteht für gewöhnlich aus den etablierten abendländischen und männlichen Kandidaten. Dieser Kanon wirkt beinahe wie eine unvermeidliche historische Abfolge, sie könnte beispielsweise und auszugsweise so lauten: Platon – Aristoteles – Thomas Hobbes – John Locke – Jean Jaques Rousseau – Immanuel Kant – G.W.F. Hegel – John Rawls.

 

Doch zu welchen Gunsten und Ungunsten entsteht ein solcher „klassischer Kanon“? Wer ist ausgeschlossen und wieso ist dies so?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, werden wir in diesem Seminar die oben stehenden „Klassiker des politischen Denkens“ mit Denker_innen konfrontieren, die scheinbar im Abseits der etablierten politischen Theorie stehen: So beispielsweise die „arabische Staatsphilosophie“ durch den Autor al-Fārābī, das „konfuzianische politische Denken“ repräsentiert durch Huang Zongxi, oder auch die frühen Arbeiten von Denkerinnen des Politischen wie Olympe de Gouges und Mary Wollstonecraft.

Diese eher unbekannten Denker_innen der Politischen Theorie werden nicht isoliert betrachtet, sondern in Dialog und Konfrontation mit den „etablierten Denker_innen“ über die Fragen der Macht, des Staates und der Gesellschaft gebracht.

Durch diese kritische Genealogie erhoffen wir uns in diesem Seminar eine Klarwerdung des Status unseres heutigen Denkens des Politischen und werden so auch die Frage vorantreiben: Können wir eine eindeutige Geschichte des politischen Denkens überhaupt schreiben?

Semester: WiSe 2021/22