Gesellschaftliches Engagement: Praktiken, Motive, Organisationsformen

Das Modul führt exemplarisch in Forschungsmethoden der Kultursoziologie und deren Anwendung ein. Dabei geht es sowohl um das Kennenlernen und Erproben ausgewählter qualitativer Methoden, als auch um deren Anwendung auf einen aktuellen Gegenstand.

In diesem Semester untersuchen wir gesellschaftliches Engagement – ein Engagement, das freiwillig und unentgeltlich „im Sinne des Gemeinwohls“ ausgeübt wird. In Deutschland sind fast 40% der Bevölkerung ab 14 Jahren in diesem Sinne gesellschaftlich engagiert, sei es beispielsweise bei Tätigkeiten im Sportverein, bei der Freiwilligen Feuerwehr, der selbstorganisierten Nachbarschaftshilfe, in Bürgerinitiativen, bei gemeinwohlbezogenen Aufgaben in religiösen Gemeinschaften oder durch Organisation von Online-Petitionen.

Aus soziologischer Perspektive lohnt es sich dabei auch angesichts von Zeitdiagnosen zur „Individualisierung“ (Beck), zum „unternehmerischen Selbst“ (Bröckling) oder zur „Singularisierung“ (Reckwitz) freiwilliges Engagement genauer in den Blick zu nehmen. Fügt es sich in solche Diagnosen ein, wird gesellschaftliches Engagement zum Ausdruck der individuellen Leistung, etwa für den CV? Oder steht es als solidarisches Handeln dazu in Widerspruch?

Wir gehen davon aus, dass wir durch die Rekonstruktion von Praktiken, Organisationsformen und Sinndeutungen freiwilligen Engagements etwas über Gesellschaft an sich und die Ressourcen, auf die diese sich stützt, lernen können. Fragen, die dabei aufgeworfen werden, sind beispielsweise: Welche expliziten und impliziten Motive sind mit dem Engagement verbunden und auf welchen Rahmenbedingungen und Deutungen basieren diese? Wie werden über gesellschaftliches Engagement Ein- und Ausschlüsse hergestellt? Welche Bedeutung haben Zugehörigkeit und Gemeinschaft? Welche Vorstellungen einer „guten Gesellschaft“ liegen dem Engagement zugrunde? Welche Praktiken des Engagements lassen sich identifizieren und wie verändern sich diese?

Diese und weitere Fragen werden in dem Modul über verschiedene Perspektiven in den Blick genommen. Dieses Seminar wird sich den genannten Feldern ethnographisch nähern und mit Begehungen, Beobachtungen, aber auch Gesprächen arbeiten. 



Semester: SoSe 2022