Marginalisierten Gruppen, sog. „Subalternen“ (Gramsci) wurden so häufig ihre Stimmen genommen, dass ihre Geschichten weitgehend unaufgearbeitet blieben. 1981 bemerkten auch die Kultursoziologinnen Honnegger und Heintz in Bezug auf die sich entwickelnde Frauengeschichte, dass die Suche nach idealisierten Held:innen, repräsentativen Identifikationsfiguren und „revolutionären Subjekten“ soziokulturelle Bedingungen von Macht und agency ignoriert. Seither hat sich einiges getan:  Mit Lüdtkes Konzept des „Eigensinns“ und intersektionalen Zugängen wenden wir uns erneut devianten Praktiken der Ohnmacht zu. Um „entselbstverständlichende“ (Degele) Perspektiven der Situierung, Kontextualisierung, Historisierung zu üben, konzentriert sich dieses Seminar auf das 19. Jahrhundert. So fragen wir nach dem Wandel nonkonformer (Körper-)Praktiken des Alltags – von „rebellischen Weibern“, „Hysterikerinnen“, Delinquentinnen und „Verweigerinnen“ bis zu „moralisierenden Tugendwächterinnen“ – und erkunden sie im Verhältnis zu den jeweiligen sozialen Strukturen, kulturellen Normen und vergeschlechtlichten Deutungsmustern.


Semester: SoSe 2022