Migrationsforschung ist seit mehreren Jahren ein expandierendes Feld. Der Geschichte kommt dabei häufig wieder einmal die Rolle einer Legitimationswissenschaft zu, insbesondere seitens nichtstaatlicher Akteure. Historische Vergleiche und Entwicklungslinien werden zur Begründung politischer Positionen und Prognosen verwendet und meist sofort wieder in Frage gestellt.

Das Seminar versteht sich durchaus als Grundlage für Interventionen in aktuelle Debatten, will aber zeigen, dass dem Phänomen Migration und den begleitenden sozialen, kulturellen und politischen Prozessen nicht mit eindimensionalen Darstellungen beizukommen ist. Es verbindet Einsichten der Sozial-, Kultur-, Wirtschafts-, Diskurs- und politischen Geschichte und verknüpft systematisch Perspektiven »von unten« mit solchen »von oben«. Untersucht wird, wie der moderne Staat und die von ihm repräsentierten Gesellschaften Migration wahrgenommen, kategorisiert, verarbeitet haben, aber auch, wie MigrantInnen mit ihrer Situation, Außenwahrnehmung, Kategorisierung und Kanalisierung umgegangen sind. Wie entstanden kategoriale und administrative Unterschiede zwischen Einwanderern, Auswanderern, Flüchtlingen und Exilanten? Wo und in welcher Weise wurde Migration als Chance oder Gefahr angesehen? Wie verhielten sich Außenwahrnehmungen und Migrationsregime zur Realität und Subjektivität der MigrantInnen? Welchen Einfluss hatten Migrationsvorgänge für die Selbstverortung der entsendenden oder aufnehmenden Gesellschaften? Welche Schlüsse lassen sich letztendlich für aktuelle Debatten über Migration ziehen?


Semester: WiSe 2016/17