Claude Lévi-Strauss (1908–2009) gilt als einer der Hauptvertreter – wenn nicht gar Begründer – des ethnologischen Strukturalismus. Diese kulturwissenschaftliche Forschungsrichtung schließt an die Grundüberzeugung der strukturalen Linguistik an, dass sprachliche Zeichen ihre Bedeutung allein aus ihrer Beziehung innerhalb des Sprachsystems erhalten, und überträgt sie auf die Erforschung von Kulturen. Demnach müssen auch kulturelle Phänomene wie Elemente einer Struktur betrachtet werden, deren Bedeutung nur durch ihre Beziehung untereinander erschlossen werden kann. Der so vorgenommene Perspektivwechsel hat weitreichende theoretische und methodisch-praktische Konsequenzen, erlaubt er doch nicht nur einen unvoreingenommeneren Blick auf fremde Kulturen, sondern führt ebenso zu einer kritischen Distanzierung von den eigenen kulturellen Hintergrundannahmen. In allen seinen Untersuchungen geht es Lévi-Strauss daher immer auch darum, die vermeintliche Fortschrittlichkeit der europäisch-abendländischen Vorstellung von Rationalität durch die Konfrontation mit einem „wilden Denken“ zu relativieren.

Ausgehend von Lévi-Strauss’ grundlegender Reflexion über das Verhältnis von Natur und Kultur in „Die elementaren Formen der Verwandtschaft“ (1949) sollen im Seminar kleinere programmatische Aufsätze sowie Ausschnitte aus größeren Werken – etwa „Traurige Tropen“ (1955) und „Das wilde Denken“ (1962) – gemeinsam gelesen und diskutiert werden.

Semester: ST 2017