Die Implementation europäischer Rechtsakte erscheint zunächst als ein trivialer Akt: Im engen Zusammenspiel mit Kommission und Europaparlament einigen sich die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten auf eine bestimmte Regel (z.B. Schutz der Trinkwasserversorgung), die in allen Mitgliedstaaten umgesetzt wird und zwar nach Maßgabe der in der Regel aufgeführten Bestimmungen. Zu erwarten ist demnach, dass eine solche Umsetzung entlang der Vorgaben erfolgt. Regelmäßige statistische Erhebungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zeigen jedoch, dass die Umsetzung europäischer Rechtsakte in nationale Rechtsordnungen höchst unterschiedlich erfolgt und insgesamt alles andere als ein linearer Prozess ist. Zudem weist die deutliche Zunahme von Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof und nationalen Gerichten darauf hin, dass die Implementation von EU-Regeln kein reiner Rechtsakt ist. Vielmehr ist von einer genuinen Implementierungspolitik auszugehen, die auch als „politics of law“ umschrieben werden kann. In einem ersten, einführenden Block lernen die Studierenden mithilfe einschlägiger Literatur aus dem Lehrgebiet der Internationalen Beziehungen (IB) das Forschungsgebiet der (non-)compliance/Implementation von Rechtsnormen jenseits des Staates kennen und ordnen Prozesse, Institutionen und Akteure der Implementation für den Spezialfall EU entsprechend zu. Anschließend werden am Beispiel der Sozial- und Binnenmarktpolitik der EU Unterschiede in der Implementierung von re-regulativen, redistributiven und de-regulativen Regeln genauer analysiert. Schließlich sollen in einem dritten Block politische Folgen von Implementation jenseits des Staates kritisch diskutiert werden, wie sie sich im Lichte der aktuellen Krise(n) der EU zeigen (De-Legitimierung des Liberalisierungsmodells EU, Akzentuierung sozio-ökonomischer Dislokation, Populismus).


Semester: SoSe 2019