Das Seminar beschäftigt sich mit Formen politischer Autoritätsstrukturen jenseits des Staates. Ausgehend von einer kritischen Würdigung des Global Governance (GG) Ansatzes führt es in den, demgegenüber vergleichsweise jungen Ansatz der Gouvernementalität im Lehrgebiet der Internationalen Beziehungen (IB) ein. Es diskutiert  den analytischen Mehrwert einer Blickperspektive von Gouvernementalität auf diejenigen Forschungsgegenstände, die bisher von der Global Governance Perspektive vornehmlich analysiert wurden, z.B. Internationale Institutionen, Diskurs-Netzwerke, zivilgesellschaftlicher Aktivismus und regulative Arrangements.  Ins Zentrum einer Gouvernementalitätsanalyse geraten dann eben nicht Fragen nach der Setzung und Durchsetzung neuer, grenzüberschreitender Regeln und Verfahren in einem internationalen System, das eine übergeordnete Zentralinstanz mit Gewaltmonopol nicht kennt. Vielmehr wird nach den (asymmetrischen) Einflüssen und der Gestaltungsmacht  diverser Akeure und Akteursgruppen der GG (TNKs, NGOs, internationale Sekretariate, Regierungen, Zentralbanken, Wissen(schaft)s)netzwerke, soziale Bewegungen etc.) in unterschiedlichen Situationen und Zeithorizonten gefragt, aus denen heraus eine bestimmte Formation politischer Ordnung (polity) jenseits des Staates sich (re)produziert  – andere mögliche Formationen bleiben marginalisiert. Es gilt mithin der konstitutiven Macht bestimmter Akteur-Struktur-Beziehungen in der GG nachzuspüren. Dies läßt sich anhand von „Global Commons“ (verstanden als Diskurs-Netzwerk, regulatives Arrangement, zivilgesellschaftlicher Aktivismus, Politikprogrammatik Internationaler Institutionen usw.) exemplarisch zeigen. 

Einführende Literatur:

Agrawal, Arun, 2005: Environmentality: Technologies of Government and the Making of Subjects, Durham: Duke University Press.

Bardhan, Pranab und Isha Ray (Hrsg.), 2008: The Contested Commons. Conversations between Economists and Anthropologists, Oxford u.a.: Blackwell.

Escobar, Arturo, 1995: Encountering Development: The Making and Unmaking of the Third World. Princeton, NJ: Princeton University Press.

Goldman, Michael (Hrsg.), 1998: Privatizing Nature. Political Struggles for the Global Commons. New Brunswick, New Jersey: Rutgers University Press.

Goldman, Michael, 1997: “Customs in common”: The epistemic world of the commons scholars, in: Theory and Society 26, 1-27.

Morisse-Schilbach, Melanie und Jost Halfmann (Hrsg.), 2012: Wissen, Wissenschaft und Global Commons. Forschung zu Wissenschaft und Politik jenseits des Staates am Beispiel von Regulierung und Konstruktion globaler Gemeinschaftsgüter, Baden-Baden: Nomos.

Neumann, Iver B und Ole J. Sending, 2010: Governing the Global Polity. Practice, Mentality, Rationality, Ann Arbor : Michigan University Press.

Smouts, Marie Claude, 2003:  Tropical forests, international jungle. The underside of global ecopolitics, New York u.a: Palgrave.

Vasilache, Andreas (Hrsg.), 2013: Gouvernementalität, Staat und Weltgesellschaft: Studien zum Regieren im Anschluss an Foucault, Wiesbaden: VS-Verlag.

Semester: WiSe 2019/20