Aus aktuellem Anlass wendet sich dieses Lektüreseminar dem 2002 erschienenen Buch „Immunitas“ des italienischen Philosophen Roberto Esposito zu. Geschrieben unter dem Eindruck des sich weiter ausbreitenden Aids-Virus, des weltweiten fundamentalistischen Terrorismus und wachsender Migrationsbewegungen stellt Esposito eine Verbindung zwischen verschiedenen Strategien der Immunisierung in den Bereichen des Rechts, der Politik und der Medizin her. Sein zentrale, u.a. an Michel Foucaults Konzeption der Biopolitik angelehnte These lautet, dass Strategien der Immunisierung stets darin bestehen, das Übel, das bekämpft werden soll, als Heilmittel einzusetzen und damit zu reproduzieren. Diese widersprüchliche Figur dient Esposito als Interpretationsfolie, um sich kritisch mit einem herrschenden Sicherheitsdispositiv auseinanderzusetzen, das das Leben in der Gemeinschaft sichern möchte, indem es sie vor äußeren Eindringlingen abschottet.

Die gemeinsame Lektüre und Diskussion des Textes von Esposito dient einerseits als Einführung in ein politisches Denken, das ausgehend von begrifflichen Übertragungen, Überlagerungen und Verschiebungen einem im weitesten Sinne ästhetischen Verfahren folgt. Andererseits bieten die vielschichtigen Überlegungen zur Immunisierung zahlreiche Ansatzpunkte für eine Analyse der Auswirkungen, die die Covid-19-Pandemie auf die gegenwärtigen sozialen und politischen Verhältnisse hat.


Semester: WT 2020/21