Im Zuge der Coronakrise gewann die Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen einer digitalen Kirche angesichts der verhängten Kontakt- und Ausgangssperren an neuer Aktualität und hat das Verhältnis von Christentum und moderner Technik wieder neu ins Rampenlicht treten lassen. Dem Christentum wurde und wird im öffentlichen Diskurs häufig eine Technik- und Naturwissenschaftsfeindlichkeit nachgesagt. Dabei hat die technikhistorische Forschung in den vergangenen Jahrzehnten recht deutlich herausgearbeitet, dass eine grundsätzlich technikfreundliche Einstellung des lateineuropäischen Christentums insbesondere im Mittelalter eine der Ursachen darstellt, weshalb Westeuropa einen technologischen Entwicklungsvorsprung gegenüber anderen Erdteilen erlangte und sich im Zeitalter des Kolonialismus zum Herrscher über große Teile des Erdballens aufschwingen konnte. In der Übung soll anhand ausgewählter Quellen exemplarisch der Entwicklung des Verhältnisses von Christentum und Technik von der römischen Antike bis zur Zeitgeschichte nachgespürt werden. Dabei werden drei Ebenen Bestandteil der Übung sein: erstens die Analyse der Bewertung von Technik aus christlicher Perspektive über die Jahrhunderte hinweg, zweitens die Untersuchung der Nutzung von Technik innerhalb der Kirche(n) und drittens das Studium des Fortlebens von dem Christentum entlehnten religiösen Topoi in säkularisiertem Gewand innerhalb gesamtgesellschaftlicher Technikdiskurse des 19. und 20. Jahrhunderts. Insgesamt wird eine Brücke zwischen Kirchengeschichtsschreibung und einer kulturgeschichtlich orientierten Technikgeschichtsschreibung geschlagen.

Semester: WT 2020/21