Im Seminar setzen wir uns mit dem Pflegeberuf und seiner Geschichte kritisch auseinander. Wir fragen uns, seit wann wir von professioneller Pflege sprechen können und welche Konzepte es innerhalb dieses Feldes gab (konfessionell/bürgerlich, Krankenhauspflege/Gemeindepflege/Privatpflege). Wir gehen Mythen nach: War Pflege schon immer weiblich konnotiert und dem Beruf des männlichen Mediziners unterstellt? Ist die Tradition der konfessionellen Krankenpflege („Liebesdienst“) verantwortlich für die fortdauernde mangelnde Anerkennung dieses Berufs? Wir beschäftigen uns zudem mit der ethischen Verantwortung von Pflegenden zu unterschiedlichen Zeiten, insbesondere im Nationalsozialismus. Das Thema bietet noch eine Chance: Wir werden uns beispielhaft mit verschiedenen Quellen und Methoden der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte auseinandersetzen. So können wir anhand der transnationalen Verbreitung der konfessionellen Krankenpflege im 19. Jahrhundert eine Form des Kulturtransfers nachverfolgen. Die Pflege von Sterbenden analysieren wir als soziale Praxis im Rahmen der Alltagsgeschichte. Anhand von Dingen in der Pflege wie der Einmalhandschuh oder das Fieberthermometer nähern wir uns an die Methoden der Material Culture History an. Neben Originalquellen und wissenschaftlichen Texten werden wir filmische Darstellungen, Ausstellungen und einschlägige Archivbestände analysieren.

Literatur u. a. (ausgewählte Kapitel oder Aufsätze):

Lucia Artner u. a. (Hgg.), Pflegedinge. Materialitäten in Pflege und Care, Kultur und soziale Praxis, Bielefeld, 2017.

Karen Nolte, Todkrank. Sterbebegleitung im 19. Jahrhundert: Medizin, Krankenpflege und Religion, Göttingen, 2016.

Hilde Steppe u. a. (Hgg.), Krankenpflege im Nationalsozialismus, 3. Aufl., Frankfurt am Main, 1986.

Semester: ST 2021