Ein zentraler Einsatzpunkt der modernen Sozial- und Kulturphilosophie ist die anhaltende Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft: Einerseits stellt die Realisierung einer gleichen Freiheit der Individuen den Antriebsmotor der bürgerlichen Revolutionen und des ihr nachfolgenden modernen Demokratieverständnisses dar; andererseits sehen sich die europäischen Industriegesellschaften spätestens seit dem 19. Jahrhundert mit einem zunehmenden Individualismus konfrontiert, der weit über die in dieser Zeit entstehende Disziplin der Soziologie hinaus immer wieder die Frage nach dem sozialen Zusammenhalt aufkommen lässt. Entsprechend schwanken auch die theoretischen Positionen zwischen einer Verteidigung individueller Freiheitsrechte und der Kritik an einer Verabsolutierung individueller Selbstentfaltung, die ihre sozialen Bedingungen vergisst.
Das Seminar, das im Rahmen einer Lehrkooperation mit dem Institut für Soziologie der Universität Graz (Prof. Dr. Stephan Moebius) stattfindet, begibt sich auf eine theoriegeschichtliche Spurensuche nach dem janusköpfigen „Gesetz des Individuums“, das uns bis in die Gegenwart verfolgt. Dazu sollen in erster Linie klassische Texte (u.a. Mill, Stirner, Marx, Nietzsche, Weber, Durkheim, Simmel, Elias, Adorno) gemeinsam gelesen und diskutiert werden. Am Ende des Semesters besteht die Möglichkeit, an einem Workshop in Graz teilzunehmen, der gemeinsam mit den dortigen Studierenden organisiert wird und im Rahmen des europäischen ARQUS Association Programms stattfindet.
- Trainer/in: Dirk Quadflieg