Vom Begriff des Ereignisses, über die Fixierung eines Zeitpunktes in einem linearen Kontinuum bis hin zur gemeinhin hierarchischen Trennung von wirklichem Spielort und fiktivem Handlungsort reichen die zumeist unbefragten Voraussetzungen der alltäglichen Rede über Theater. Doch schon der Umstand, dass mit dem Wort „Theater“ gleichermaßen ein Schauplatz (theatron), eine Institution, eine mehr oder weniger künstlerische Praxis und schließlich eine konkrete Veranstaltung gemeint sein können, verweist darauf, dass eine kritische Betrachtung der Dimensionen von Theater lohnt – zur Klärung und Präzisierung von Begriffen wie auch zur Reflexion der spezifischen, von gängigen Sprachmustern eher verdeckten Potenziale in den Praktiken und Prozessen, die wir als Theater bezeichnen.

Das Seminar richtet sich an alle, die Interesse an den praktischen Aspekten der Theorie und den theoretischen Aspekten der Praxis haben und bereit sind, den Raum- und Zeitstrukturen (und ihrer wechselseitigen Durchdringung) von Theater nachzuspüren. Dies soll anhand einiger exemplarischer Lektüren von Hölderlin und Kierkegaard bis hin zu Daniel Charles und Jacques Rancière geschehen, sowie im Kontext einiger aktueller, nach Möglichkeit gemeinsam zu erfahrender Produktionen (u.a. mit einer Exkursion nach Berlin voraussichtlich am 11./12. Juni). Die Raumzeiten des Theaters sind zugleich die Spielräume des Publikums, die es sich auch im Denken (wieder) anzueignen gilt.


Semester: ST 2022