Häufig als (zentral-)europäisches oder gar rein italienisches Ereignis beschrieben (Burckhardt 1988) spielt sich die frühneuzeitliche Kulturepoche der Renaissance in einer für den Kontinent noch nie dagewesenen Zeit der Entdeckungen, der Expansion und leider auch der Eroberung sowie Unterdrückung statt. In diesem Kurs wollen wir uns zeitgenössischen europäischen Repertoires nähern, indem wir ihrer Bedeutung an den sogenannten Peripherien traditioneller Musikgeschichtsschreibung nachspüren. Neben den erst spät für die Forschung bedeutsam gewordenen europäischen Gegenden wie die spanische Halbinsel, (Süd-)Osteuropa und Skandinavien liegt der Fokus auf der weltweiten Verbreitung von Renaissancemusik im 14. bis frühen 17. Jahrhundert. Sicherlich handelt es sich bei den sporadischen Kontakten zwischen europäischen Musikpraktiken und einem außereuropäischen Publikum um nicht zu verabsolutierende Einzelfälle sowie auch die Pflege von Repertoires in unüblichen Orten wie Missionarseinrichtungen in Ostasien oder Südamerika wenig Einfluss auf die dortige sesshafte Bevölkerung haben dürfte. Allerdings lassen sich an solchen Fallstudien Arbeitsweisen der musikalischen Globalgeschichtsforschung einüben, die auch für andere Forschungsprojekte nützlich sein werden.


Semester: WiSe 2022/23