Religionskritik von rechts (Ringvorlesung)

Wenn man in der Stabilisierung der politischen Ordnung eine wichtige Funktion etablierter Religionen sieht, ist es nicht verwunderlich, dass die Religionskritik unter konservativen Machtverhältnissen eine „linke“ Gestalt annimmt. Selbstverständlich können Religionen aber auch von rechts kritisiert werden. Dazu kommt es immer dann, wenn sie Glaubenslehren vertreten, die dem Antiuniversalismus und Antiegalitarismus der politischen Rechten widersprechen. Gehört eine Religion zum demokratischen Establishment, gerät sie automatisch in den Fokus rechter Kritik. Die Ringvorlesung sucht anhand ausgewählter Beispiele die besondere Qualität rechter Religionskritik herauszuarbeiten. Dabei stellt sich die Schwierigkeit, dass erfolgreiche Religionen wie das Christentum mit den unterschiedlichsten Regierungssystemen, seien sie demokratisch oder antidemokratisch, eine Allianz eingehen können. Wird dieser Anpassungsleistung auf der Metaebene der theoretischen Reflexion nicht Rechnung getragen, bleibt unbestimmt, worin sich die Religionskritik von rechts von der von links unterscheidet. Im Zweifelsfall kann der aufklärerische Impuls der Religionswissenschaft selbst nach rechts abkippen und faschistisch vereinnahmt werden, wie das in den dreißiger und vierziger Jahren in und außerhalb Deutschlands der Fall war.


Semester: WT 2023/24