Mit dem ‚Osten‘ ist – insbesondere aus der zentraleuropäischen
Perspektive – weit mehr als nur ein geografisch verortbares Gebiet
bezeichnet. Vielmehr handelt es sich um einen symbolischen Raum – einen
zu verschiedenen Zeiten und an unterschiedlichen Orten mit ganz
differenten Bedeutungen aufgeladenen Topos, der in kulturellen
Praktiken, identitären Narrativen und politischem Agenda-Setting immer
wieder eine erzählerische und gestische Rolle spielt. Der ‚Osten‘ kann
dabei verschiedenste Befindlichkeiten und Affekte (von
orientalisierender Sehnsucht nach Differenz bis hin zu einer strategisch
verstärkten Furcht vor dem Fremden) evozieren, aber auch motivische
Bilder, Diskurse und Praktiken prägen, die ganz konkrete politische
Wirkungen entfalten.
Anhand historiografischer, soziologischer, kulturwissenschaftlicher,
insbesondere aber künstlerischer und theatraler Positionierungen zur
Frage des ‚Ostens‘ als Prinzip einer modernen, raumbezogenen
Konstruktion von Individuum und Gemeinschaft wollen wir uns im Seminar
mit den Konsequenzen eines solchen Denkens (und Handelns) im Raum
auseinandersetzen. Zwischen Mordor, Transsylvanien und dem ‚Orient‘
liegen nämlich noch immer weit mehr offene Fragen für eine gegenwärtige
transkulturelle Lebenspraxis, als die Versprechungen einer
globalisierten und zugleich diversen Welt des 21. Jahrhunderts glauben
lassen. Denn: Jede:r hat ihren/seinen (eigenen) ‚Osten‘.
Zum Seminar gehören obligatorische Besuche einiger Ausstellungen und Theaterbesuche (max. vier im Semester).
- Trainer/in: Michael Braun