Theater ist eine Ensemblekunst. Die Prozesse des Theatermachens und des Theaterschauens sind auf mehreren Ebenen von der Frage nach der Gemeinschaft durchzogen. Die Ambivalenz des „gemeinsame Sache-Machens“ zeigt sich im Produktionsprozess als Reibung zwischen Kollektiv und Künstlerindividuum, Chor und Solist:in. Eingebettet in gesellschaftliche Diskurse ist Theater immer wieder herausgefordert, sich (nicht nur) ästhetisch-politischen und sozialen Fragen des Mit-Seins (Nancy) und den Grenzen der Gemeinschaft (Plessner) zu stellen. Das Spiel mit der Gemeinschaft dreht sich um Machtverhältnisse, um Fragen der Zugehörigkeit, des Ausschlusses, des Subjekts und der Subjektivierung. Im Spannungsfeld von Affirmation und Gegenrede (re)agiert Theater in unterschiedlichen historischen Konstellationen mit unterschiedlichen künstlerischen Positionen auf die Herausforderung der Vereinnahmung des Theaters im Sinne eines Nation-Building oder einer Imagined community (B. Anderson). Den Ausgangspunkt bildet das Deutschland der Weimarer Republik. Auch auf das Verhältnis von Theater und Gemeinschaft im Nationalsozialismus wird einzugehen sein; denn mit den Worten Brechts ist festzustellen, „der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“. Schließlich stellt sich dem Theater im Zeitalter des Anthropozän die dringliche Frage nach der Gemeinschaft von human und nicht-humanen „Krittern“ (D. Haraway) in transkultureller Perspektive.
Diese und weitere Aspekte, sowie entsprechende Fragen werden in der Auseinandersetzung mit (theater-)theoretischen Texten und anhand exemplarischer historischer und gegenwärtiger Praxismodelle (etwa Theaterkollektive, Ensembletheater oder Community theatres) gemeinschaftlich diskutiert.

Semester: WT 2023/24