
Offizielle Kursbeschreibung:
Vladimir Putin hat den russischen
Angriffskrieg auf die Ukraine auch damit legitimiert, dass Russ*innen
und Ukrainer*innen ein Volk seien, das die Kyjiver Rus' als gemeinsames
Erbe teile. Noch am 21. Februar 2022, drei Tage vor dem Angriff auf die
Ukraine, betonte er die „Bluts- und Familienbande“, die die Ukrainer und
die Russen angeblich miteinander verbänden. Die Geschichte ist
komplizierter, als es Vladimir Putin wahrhaben will, der historische
Narrative benutzt, um den Ukrainer*innen Souveränität, Geschichte und
Identität abzusprechen. Putin verschweigt, dass das von Ukrainer*innen
bewohnte Gebiet seit dem Mittelalter eng mit dem übrigen Europa
verbunden war. Es gehörte länger zu Polen-Litauen, als es Bestandteil
des Zarenreiches beziehungsweise der Sowjetunion war. Anders als es die
Ideologen der „Russischen Welt“ suggerieren, kann von einer
durchlaufenden Kontinuität der russisch-ukrainischen Zusammengehörigkeit
seit der Christianisierung der Kyjiver Rus' im Jahr 988 bis heute keine
Rede sein. Erst seit 1654 ist die Geschichte der beiden Länder wieder
enger miteinander aufeinander bezogen. Die Vereinbarung von Perejaslav
1654, in der sich die ukrainischen Kosaken dem russischen Zaren
unterstellten, gilt als der Beginn der Inkorporation der Ukraine nach
Russland.
An Schlüsselmomenten der russischen und ukrainischen Geschichte in
der Vormoderne wird die Übung zeigen, dass diese Verbindung weder
konfliktfrei noch alternativlos, sondern es hat auch andere
Möglichkeiten der Kooperation gegeben hat. Die Übung möchte dazu
anregen, Diskurse über Russland und die Ukraine als „Brudervölker“
kritisch zu hinterfragen.
Literatur:
Kappeler, Andreas: Ungleiche Brüder.
Russen und Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Originalausgabe.
München 2022 (= C.H. Beck Paperback, Bd. 6284); Plochij, Serhij
Mykolajovyc: Die Frontlinie. Warum die Ukraine zum Schauplatz eines
neuen Ost-West-Konflikts wurde. Hamburg 2022.
Kontakt:
Prof. Dr. Julia Herzberg
Sprechstunde Mi 16-17 Uhr
Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO)
Specks Hof (Eingang A)
Reichsstraße 4–6
julia.herzberg@leibniz-gwzo.de
- Trainer/in: Julia Herzberg
- Trainer/in: Stephan Kaschner