Viel wurde darüber diskutiert, ob es einen grünen Kapitalismus gibt oder geben kann – ob also die ökologische Frage innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems nachhaltig bearbeitet werden kann. Dieses Seminar wählt eine andere Perspektive: Ausgehend von der Beobachtung, dass Formen des grünen Kapitalismus von Emissionszertifikaten und Ökosystemdienstleistungen zu ‚grünen‘ Waffensystemen längst existieren, fragt es nach ihrer sozialen und kulturellen Bedeutung. Gerade wenn diese Formen nicht einfach tun, was sie zu tun vorgeben – ökologische Probleme lösen – stellt sich um so mehr die Frage, was sie tun und wie man sie begreifen kann. Handelt es sich um eine Ideologie, die wirtschaftliche Praxen beinahe unberührt lässt – und nun auch schon wieder im Untergehen ist? Oder entsteht hier etwas Neues, vielleicht kein neues Akkumulationsregime, aber doch neue Dinge, Praxen, Subjektivierungen und Regierungstechniken? Um eine solche Deutung gemeinsam zu entwickeln, verbindet das Seminar historisch-materialistische, wirtschaftssoziologische und kulturwissenschaftliche Literatur.  

Es handelt sich bei dem Seminar um ein Forschungsseminar. Nach den einführenden Sitzungen (ca. die erste Hälfte) wählen die Studierenden ein Phänomen des grünen Kapitalismus, das sie analysieren und in der zweiten Hälfte des Seminars vorstellen. Mögliche Formen des grünen Kapitalismus, mit denen wir uns im Seminar auseinandersetzen, sind etwa: Strommärkte und Erneuerbare Energien, Ökosystemdienstleitungen, Emissionshandelsysteme, Prosumer und ökologisch bewusste Konsumenten, grünes Unternehmertum, der Ausnahmezustand als Regierungstechnik, sowie ‚dekarbonisierte‘ Waffensysteme. Studierende sind dazu eingeladen, sich selbst umzuschauen und weitere Formen vorzuschlagen. 

Semester: ST 2025