
Über Traditionen und das kulturelle Erbe einer Gesellschaft wird vielfach gestritten. Es wird gefordert, dass ihnen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden soll oder, dass sie abgeschwächt gehören oder mit ihnen gebrochen werden sollte. Was jedoch mit Tradition oder kulturellem Erbe genau gemeint ist, bleibt hingegen oft unklar. In diesem Seminar sollen deshalb zu Beginn unterschiedliche Traditionsbegriffe und Verständnisse des kulturellen Erbes in den Blick genommen werden. Im Zentrum stehen kulturelle Praktiken der Übertragung und Weitergabe von einer Generation zur nächsten. Welche gesellschaftliche und kulturelle Funktion besitzen Traditionen? Wodurch erfahren sie ihre Geltung und auf welche Weisen werden sie übertragen, weitergegeben und angeeignet? Wir diskutieren zunächst entlang zentraler Texte von Aleida Assmann, Eric Hobsbawm und Maurice Halbwachs unterschiedliche Traditionsbegriffe, Entstehungskontexte von Traditionen und den Zusammenhang zwischen Tradition und Erbe mit den Strukturen von Autorität und Gedächtnis. Anschließend nehmen wir das Spannungsverhältnis zwischen dem modernen Verständnis des autonomen Subjekts und Traditionsbezügen in den Blick. Im Zentrum werden hier Theoriemodelle von Erben und Tradieren stehen sowie Theorien der Traditionskritik. Leifragen werden sein: Wo verlaufen die Grenzen des individuellen Zugriffs und der Verfügung über kulturelle Strategien der Dauer? Auf welche Weisen kann kulturelles Erbe angenommen oder abgewiesen werden? Wie können emanzipatorische Praktiken, zum Beispiel Traditionsbrüche, theoretisch gefasst werden? In welchem Verhältnis stehen Traditionen und Kolonialismus miteinander?
- Trainer/in: Stuart Amelie