Jedes Museum und jede Sammlung besitzt Werke, die im Umgang und in der Vermittlung problematisch sein können. Dies kann durch die Haltung und Biografie der Kunstschaffenden, der Auftraggeber und der Dargestellten, die Provenienz, den Entstehungskontext oder eine ideologisch-propagandistische Botschaft bedingt sein. Solche Werke können bei einer öffentlichen Aufstellung Diskussionen auslösen und Konflikte verursachen.

Entsprechende Werke einfach zu entfernen oder ins Depot zu verbannen, entspricht der Bewältigungsstrategie der Verdrängung. Produktiver im Sinne einer aktiven Aufarbeitung problematischer Epochen ist es daher, diese Kunstwerke als Reibungsfläche für die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Zeit einzusetzen und sie in Ausstellungen oder dauerhaften musealen Präsentationen zugänglich zu machen. Für eine historisch-kritische Aufarbeitung und Kontextualisierung müssen zunächst die Fakten ermittelt und das Kunstwerk analysiert werden. Es ist eine besondere Stärke von Kunstwerken, sehr komplexe Zusammenhänge zu verdichten und die Betrachtenden umfassend zu „packen“. Dies gilt es zu analysieren. Es ist Aufgabe der Kunsthistoriker:innen, entsprechende Botschaften zu entschlüsseln und in einen historischen Kontext zu stellen.

Sind diese Hausaufgaben gemacht, stellt sich die Frage der heutigen Kommentierung, Kontextualisierung  und Vermittlung. Reicht es beispielsweise aus, die ideologische Grundhaltung aufzuzeigen, oder bedarf es einer darüber hinausgehenden, ethisch begründeten distanzierenden Stellungnahme, die etwa eine moralische Verblendung aufzeigt?

Im Rahmen des Seminars sollen ausgewählte Kunstwerke des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung der Universität umfassend kunsthistorisch erörtert und entsprechende Vermittlungsangebote erarbeitet werden. Historische Grundkenntnisse im Hinblick auf die großen nationalen und ideologischen Auseinandersetzungen des Jahrhunderts sind dafür unbedingt erforderlich.

Prüfungsleistungen: Übernahme eines Referates zum Werk sowie, im Rahmen des Lerntagebuchs, das Verfassen einer Exponatsbeschriftung und die Erarbeitung eines Vermittlungsangebotes in Form eines Veranstaltungsvorschlags, eines Social Media-Beitrages oder Ähnlichem.

 

Literatur:

Bilderstreit und Gesellschaftsumbruch. Die Debatte um die Kunst aus der DDR im Prozess der deutschen Wiedervereinigung, hg. von Karl-Siegbert Rehberg und Paul Kaiser, Berlin/Kassel 2013

Der Weimarer Bilderstreit: Szenen einer Ausstellung. Eine Dokumentation, hg. von Kunstsammlungen zu Weimar, Weimar 2000

Christoph Zuschlag: Ein schwieriges Erbe. Über den Umgang mit Kunst aus der NS-Zeit, in: Tradition & Propaganda: eine Bestandsaufnahme. Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Städtischen Sammlung Würzburg, hg. von Marlene Lauter, Würzburg 2013, S. 16–25

Leitfaden – Bildung und Vermittlung im Museum gestalten, hg. v. Deutschen Museumsbund e. V. und dem Bundesverband Museumspädagogik e. V. in Kooperation mit lab.bode – Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen, Berlin 2020

Leitfaden Bildung und Vermittlung im Museum gestalten

Semester: WiSe 2025/26