Die Äußerung „Es schneit, aber ich glaube es nicht“ ist offensichtlich selbstwidersprüchlich. Dennoch liegt kein formaler Widerspruch vor. Es ist durchaus möglich, dass die Aussage wahr ist. Moores Paradox bezeichnet Aussagen der Form „p, aber ich glaube es nicht“ oder „Ich glaube, dass p, aber p ist falsch“. Es wird gemeinhin angenommen, dass die Reflexion darauf, wieso solche Aussagen paradox – d.h. selbstwidersprüchlich – sind, aufschlussreich für eine Klärung der Natur unserer Überzeugungen (bzw. Urteile) und des damit einhergehenden Selbstbewusstseins ist. Ziel des Seminars ist mitunter eine solche Klärung. Bereits Wittgenstein hat sich in dieser Hinsicht mit Moores Paradox beschäftigt. Wie wir sehen werden, besteht für Wittgenstein das eigentliche Paradox jedoch im Kontrast zwischen der erstpersonalen Aussage „Es schneit, aber ich glaube es nicht“ und der analogen, scheinbar unproblematischen, drittpersonalen Aussage „Es schneit, aber sie glaubt es nicht“. Diesen Kontrast zu durchdenken vertieft nicht nur unser Verständnis der Natur unserer Überzeugungen und des damit einhergehenden Selbstbewusstseins, sondern es werden erst dadurch die tieferen philosophischen Schwierigkeiten sichtbar, die uns eine Beschäftigung mit Moores Paradox eröffnet. Im Seminar wird Wittgensteins Auseinandersetzung mit Moores Paradox als Ankerpunkt dienen, auf den wir im Laufe des Semesters immer wieder zurückkommen werden. Neben einer ausführlichen Besprechung von Wittgensteins Anmerkungen zu Moores Paradox aus dem zweiten Teil der Philosophischen Untersuchungen und der Philosophie der Psychologie, sowie einer Besprechung weiteren Passagen Wittgensteins zur Natur geistiger Zustände, werden wir uns im Seminar dann insbesondere mit Texten zu Moores Paradox aus der zeitgenössischen Philosophie des Geistes und Sprachphilosophie beschäftigen.
- Trainer/in: Jonas Held