In der Antike war die Philosophie nicht nur eine wissenschaftliche Theoriekonzeption, sondern zugleich und manchmal sogar primär eine bestimmte Lebensweise, die als Paradigma eines gelungenen Lebens gelten konnte. Glückselige Lebensweise und Theorie wurden dabei als in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis stehend gedacht: Die Theorie verhilft dem Philosophen einerseits dazu, die richtige Lebensweise zu führen (etwa: Lehrbarkeit der Tugend bei Platon), andererseits ist die richtige Lebensweise Voraussetzung für die wissenschaftliche Erkenntnis.

Im Islam (wie auch im Christentum) war es aber die Religion, die einem nicht nur zur diesseitigen, sondern auch zu einer jenseitigen, ewigen Glückseligkeit verhilft. Mit der Rezeption der griechischen Philosophie im arabischen Kulturraum wird jedoch der philosophische Weg zur Glückseligkeit als Alternative zum religiösen Heil wiederentdeckt. Die menschliche Glückseligkeit wird dabei als eine durch den Menschen selbst zu bewirkende Vollendung seiner natürlichen Anlagen (Vernunftentfaltung, Erkenntnis des Wahren, moralisches Handeln) verstanden. Inbegriff des glückseligen Menschen und eines gelungenen Lebens ist der Philosoph. Mit dieser scheinbaren Konkurrenz und auch inhaltlichen Abweichung vom religiösen Glauben diskutieren die arabischen Philosophen die Frage nach dem gelungenen Leben und seinen Voraussetzungen auf einem bis dahin nicht erreichten Niveau. Mit diesen Diskussionen wollen wir uns im Seminar auseinandersetzen.

Semester: WiSe 2022/23