Der in den 1980er Jahren aufkommende Begriff des Postkolonialismus bzw. der postkolonialen Kritik entsteht unter dem Eindruck, dass sich trotz der politischen Dekolonialisierung und einer zunehmenden globalen Verflechtung der Welt alte koloniale Machtverhältnisse in kulturellen Vorstellungen, Zuschreibungen und Identitäten ebenso erhalten wie in scheinbar neutralen Wissensformen und begrifflichen Unterscheidungen. Von Beginn an zwischen Literatur- und den neu entstehenden Kulturwissenschaften angesiedelt, haben sich unterschiedliche interdisziplinäre Positionen und Perspektiven auf die postkoloniale Situation gebildet, ohne eine einheitliche Theorie hervorzubringen. Gleichwohl fällt auf, dass sich die meisten Vertreter:innen postkolonialer Ansätze – neben der Psychoanalyse und dem Marxismus – verstärkt auf poststrukturalistische Ansätze wie die Diskursanalyse oder die Dekonstruktion berufen.

Diese Ansätze bilden den Hintergrund, vor dem kulturelle und nationale Identitäten ebenso infrage gestellt werden wie die Universalisierung und Naturalisierung von europäischen oder „westlichen“ Denkmustern und Begriffen. Im Seminar soll ein größerer Bogen von frühen Grundlagentexten etwa von F. Fanon, E. Said und S. Hall über die Positionen von G. Spivak, W. Mignolo, H. Bhabha und b. hooks bis zu gegenwärtigen Vertreter:innen postkolonialer Theorie gespannt werden. Voraussetzung für die T eilnahme ist die Bereitschaft, sich mit theoretischen Ansätzen auseinanderzusetzen. Vorkenntnisse zu den behandelten Autor:innen sind nicht erforderlich, Grundkenntnisse von Foucaults Machtanalyse oder Derridas Dekonstruktion können jedoch hilfreich sein.

Das Seminar findet im Rahmen einer Lehrkooperation mit dem Institut für Soziologie der Universität Graz (Prof. Dr. Stephan Moebius) statt, die durch das europäische Hochschulnetzwerk Arqus gefördert wird. Im Januar ist ein gemeinsamer Workshop mit Studierenden in Graz geplant, bei dem Ergebnisse des Seminars präsentiert und gemeinsam diskutiert werden sollen.

Semester: WT 2023/24