Zwei aus der Tradition der politischen Theorie überkommene Problem waren es, die Hannah Arendt nach eigenen Angaben zu Beginn der 1950er-Jahre in einer Reihe von Vorträgen und Essays beschäftig haben: Erstens die Einschränkung der menschlichen Tätigkeit auf das herstellende Produzierend, eine Tätigkeit, die – aus ihrer Sicht v.a. durch Marx – fälschlicherweise zum Leitbild des politischen Handelns erhoben wurde. Zweitens die Reduktion des Politischen auf die Frage nach staatlichen Herrschaftsverhältnissen durch die klassische politische Theorie und die Staatswissenschaften. In ihrer Essay-Sammlung „Zwischen Vergangenheit und Zukunft“ setzt sich Arendt ausgehend von diesen problematischen Verkürzungen kritisch mit der philosophischen Tradition auseinander und fragt nach den Bedingungen und Möglichkeiten einer politischen Theorie der Gegenwart.

Die kürzeren Aufsätze, die im Seminar gemeinsamen gelesen und diskutiert werden sollen, greifen zentrale Themen und Argumente aus Arendts größeren Büchern auf und eigenen sich daher besonders gut als Einführung in ihr Denken. Sie sind aber auch insofern von Interesse, als sie das politische Denken insgesamt an die Gegenwart binden und damit an eine Reflexion darauf, was genau unsere Gegenwart ausmacht, inwiefern sie von alten Traditionsbeständen blockiert ist und welche Potenziale sie dennoch enthält.

Arendts Texte zeichnen sich durch zahlreiche Referenzen auf die europäische Tradition der Philosophie und die neuzeitliche politische Theorie aus, deren Kenntnis für das Verständnis der Texte aber nicht zwingend notwendig ist. Allerdings sollte man sich auch nicht von der Fülle der Verweise abschrecken lassen.


Semester: WT 2023/24