Eine Religion in den Grenzen des Verstandes? Kants Religionsschrift und der philosophische Geist des Neuen Testaments

Blockveranstaltung vom 1.02.2024 bis 2.02.2024 von 9-18 Uhr Seminargebäude Raum 203 und
am 3.02.2024 von 9-14 Uhr im HS 13 (Hörsaalgebäude).

In dem Seminar geht es um die Frage, wie sich die Themen und Aufgaben von Religion aus philosophischer Perspektive bestimmen lassen. Das historische Paradigma wählen wir dabei die christliche Religion, als philosophischen Referenztext Kants Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Kant, so die These, verengt die Bedeutung der Religion, indem er allein auf moralische Aufrüstung und psychische Erbauung zielt. Im Rückgriff auf Hegels  Deutung der christlichen Religion soll diese Engführung als solche benannt und kritisiert werden. An ihre Stelle tritt ein Verständnis von Religion im Sinne der Selbstverortung des denkenden Menschen in einem Gesamtzusammenhang geistigen Lebens.

Die Beurteilung des Verhältnisses zwischen Religion und Philosophie setzt eine begrifflich konzise Unterscheidung zwischen dem Verstand (als Vermögen der Befolgung tradierter Regeln) und der Vernunft (als Vermögen der freien Deutung und Umsetzung dieser Regeln) voraus. Dem Verstand geht es um eine bloß erst formalen Wahrheit an sich, er bewegt sich sozusagen in der der Sphäre ‚Gottvaters‘. Die Vernunft dagegen gehört in die Sphäre eines ‚göttlichen Menschen‘ oder ‚Sohnes‘, als ‚Idee‘ für sich. Die Vermittlung beider Sphären setzt einen gemeinsamen Geist im Sinne einer spekulativen Sicht auf das Ganze der Welt sowie der Wahrheit an und für sich voraus.

Als zentrale Texte sind zu lesen:
1. Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, etwa in der Ausgabe des Meiner-Verlags oder in der Suhrkamp-Ausgabe (in: Band VIII).
2. Ausgewählte Lehrpassagen des so genannten Neuen Testaments (NT), die rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden.

Die relevanten Stellen des NT sind aus dem Text herauszuschneiden und werden im Sinne einer Chrestomathie von relevanten Textpassagen zusammengestellt. So entsteht erst ein ausreichend dichtes Korpus, ohne alle Wunder und Leben-Jesu-Geschichten der so genannten Evangelien für die Heiden (‚Ethnien‘). Die in Pseudohistorien verwandelten Mythen des AT geben ja das literarische Urbild für diese Art von Literatur ‚für junge Menschen‘ ab. Jeder Versuch einer Rekonstruktion des wahren Lebens des Jesus ähnelt daher schon der Suche nach der Arche Noah am Berg Ararat, dem Schilfmeer oder nach den Pharaonen, unter denen Joseph oder Moses gelebt haben sollen – die es aber schon wegen der kurzen Zeitspanne gar nie gegeben haben kann.

Im NT zu lesen sind z.B., u.a. Bergpredigt, das Nikodemus-Gespräch aus Johannes 3, Römerbrief und beide Briefe des Paulus an die Korinther. Begleitlektüre ist das Buch Ijob aus dem AT.

Semester: WiSe 2023/24