Willensschwäche (akrasia) beschreibt die Möglichkeit, dass Menschen gegen ihr besseres Wissen handeln. Der Satz „Ich kann nicht das Gute tun, das ich will“ bringt das Problem, das schon Platon und Aristoteles beschäftigte, treffend zum Ausdruck. Der Begriff der Willensschwäche legt nahe, dass gutes Handeln nicht nur der Erkenntnis des Guten bedarf, sondern auch einer besonderen Motivationskraft, die über jene Erkenntnis hinausgeht. Doch was ist diese Kraft, die wir Willensstärke nennen? Ist sie nicht auch eine Form der Erkenntnis, nämlich die Einsicht in die Notwendigkeit guten Handelns? Was steht dieser praktischen Einsicht entgegen – unsere Begierden? Der Begriff der akrasia deutet darauf hin, dass gutes Handeln oft eine Frage der Selbstbeherrschung (enkrateia) ist – der Fähigkeit, die eigenen Begierden zu beherrschen. Aber ist das der richtige Ansatz, um gutes Handeln zu verstehen? Aristoteles sieht das anders: Er unterscheidet zwischen dem Tugendhaften und dem Selbstbeherrschten; der Tugendhafte hat gar nicht den Drang, das Böse zu tun, sondern handelt aus der Erkenntnis des Guten. Was hindert nun die praktische Vernunft daran, das Gute in die Tat umzusetzen? Und was sind die Bedingungen der praktischen Erkenntnis – verlangt sie etwa den Abstand von Begierden?

Das Seminar widmet sich diesen Fragen, um die Natur des Willens, der praktischen Vernunft besser zu verstehen. Wir werden Texte u.a. von Julia Annas, Agnes Callard, Donald Davidson, Anthony Kenny, Christine Korsgaard, Jessica Moss und Martha Nussbaum besprechen, wobei das dritte und das siebte Buch der Nikomachischen Ethik von Aristoteles und das vierte Buch der Politeia von Platon den Hintergrund unserer Diskussion bilden.

Semester: WT 2024/25